Nordafrikanische
Bemühungen
Tunesien
Der
Sloughi,
der Stolz des tunesischen Kulturerbes.
Raouf
Ochi,
Tunesien
Text
und
Photos
©
Raouf Ochi 2010
Übersetzung von
Dr.
Bernd Fritzsch
Dieser
sehr
ansehnliche
reinrassige Hund mit kurzem Haar und Hängeohren,
schlank und muskulös, stolz und nobel im Charakter, ist ein
bedeutender
Bestandteil unseres Kulturerbes. In der Tat bereichert er einen
großen
Teil unserer mündlich überlieferten Erzählungen.
Er
kommt als verehrtes Wesen in zahlreichen Legenden vor und unsere
gemeinsame
Vorstellung macht ihn zu einer bedeutenden Komponente unserer
gemeinschaftlichen
kulturellen Erinnerung, wie die beträchtliche Anzahl der
Sprichwörter
belegt, die sich auf ihn beziehen.
Eigene
Erfahrung mit dem Sloughi:
Der
Sloughi, der Freund
meiner Kindheit: Als Kind war ich immer von Sloughis
umgeben,
Welpen und Erwachsenen. Meine Mutter erzählte mir
später,
dass es mein Großvater (ihr Vater) war, der eine Leidenschaft
für
den Sloughi besaß: eines Tages hat er alle Juwelen seiner
Frau
verkauft und mit dem Geld ist er in den Süden von Tunesien
gereist,
um einen Sloughi zu kaufen. Ihm ist es zu verdanken, dass das
traditionelle
Jagen mit dem Sloughi in unserer Familie etabliert wurde und seitdem
wird
dies von Generation zu Generation weitergereicht.
Ich
selbst
habe
dies von meinem Onkel übernommen und bin dabei, meinem
Sohn diese Leidenschaft zu vermitteln. Der erste Sloughi, der mit
seiner Gegenwart den Ort Ochi (3 km von Bou-Salem entfernt, einer
Kleinstadt
in dem Medjerba Tal im Nordwesten von Tunesien) ehrte, hatte ein
hellsandfarbenes
Fell mit schwarzer Maske. Er hatte das Recht, mit meinem
Großvater
zusammen am Tisch zu essen.
Als
er
einmal
zur Jagd ging und dabei am Bauernhof eines französischen
Siedlers, der Gazellen hatte, vorbeikam, rannte sein Sloughi hinter
einer
von ihnen her. Darauf kam der Siedler mit seinem Gewehr heraus
und
begann, auf den Sloughi zu zielen, um ihn zu
erschießen.
Mein Großvater rannte, den Finger am Abzugshebel seines
Gewehres,
und warnte den Siedler, dass, sollte dieser den Sloughi
erschießen,
er nicht zögern würde, auf ihn zu schießen.
Glücklicherweise
ist
es,
dank des Einschreitens eines damals sehr
einflussreichen Mannes (eines Großgrundbesitzers aus Ochi), nicht
zu einem Rechtsverfahren gegen meinen Großvater gekommen.
Ich
erzähle
diesen
Zwischenfall, um ein tunesisches Sprichwort zu
bekräftigen, das wörtlich sagt, dass der Sloughi in den
Köpfen
von Besessenen lebt, und mein Großvater war einer von diesen, und
natürlich gehört jeder <<sellag>>
(Sloughizüchter)
zu dieser Art von Besessenen.
Der
Sloughi, mein Jagdbegleiter: Bevor
ich 14 Jahre alt war, war es mir verboten, jagen zu gehen. Ich
war
zu jung und meine Knochen waren noch zu weich, um die langen
Märsche
über die Felder und Hügel auf der Suche nach Hasen,
Füchsen
und Schakalen auszuhalten. Dann kam der große Tag, an dem es mir
erlaubt war, meinen Onkel Loubiri, der der bekannteste ‘sellag’ in der
Region Bou-Salem war, zu begleiten. Ich erinnere mich, dass es zu
dieser Zeit einen Spieler der Bou-Salem Fussballmannschaft gab, dessen
Spitzname “Loubiris Sloughi“ war, so schnell war er, wenn er rannte.
Die
Jagdausflüge
brachten
mich außerhalb der abgeschlossenen
Areale des Ortes und eröffneten mir neue Horizonte, an die ich
niemals
gedacht hatte: meine Beziehung zur Natur wurde durch diese
wunderbare
Jagdtradition, die sowohl natürlich als auch ökologisch ist,
geboren. Mein Onkel hatte mir alles über die Kunst des
Jagens
mit dem Sloughi beigebracht und ich war ein begeisterter Schüler,
so begeistert, dass ich später, als ich in Deutschland studierte,
immer wenn ich mich nach meiner Heimat sehnte, nur von den Jagdszenen
träumte,
die ich als Jugendlicher erlebt hatte.
Als
ich
in
mein Vaterland zurückkehrte, war ich erpicht darauf, diese
große Begeisterung wiederzuerwecken und kaufte 2 Sloughis (einen
Rüden und eine Hündin) von einem deutschen Paar (den
Bergmanns),
die in Ghardimaou lebten, einer kleinen Grenzstadt im Nordwesten
Tunesiens,
circa 1 gute Fahrstunde von Bou-Salem entfernt.
Einmal
haben
mich
meine treuen Sloughis vor einem Eber, der auf mich zuraste,
gerettet, indem sie ihn in letzter Sekunde angriffen und seine Bahn 15
Meter von mir entfernt umlenkten, derweil ich vor Angst erstarrt
dastand.
Was für einen spektakulären Angriff haben sie da
gemacht!
Ohne sie wäre ich verloren gewesen.
Der
bedrohte tunesische Sloughi:
Früher,
vor
einigen
Jahrzehnten, zu der Zeit meines Großvaters,
war der Sloughi der Prinz der Wüste und er war im Süden
Tunesiens
zahlreich vertreten. Das internationale Festival in Douz ist ein
kultureller Anlass, der die großartige Zuchttradition des
Sloughis
bezeugt, und sein Programm ist unter anderem der Jagd mit dem Sloughi
gewidmet.
Unglücklicherweise
beobachtet
man
im Süden heutzutage einen starken
Rückgang der Population dieses edlen Jagdhundes sowie eine
fortschreitende
Degradierung dieser Rasse.
Der
Norden
Tunesiens,
jedoch, und insbesondere Bou-Salem, wurde zu einer
unfehlbaren Adresse für Sloughis: einige Züchter aus
dem
Süden sowie andere aus verschiedenen Regionen des Landes (Nabeul,
Hammamet, Nfidha, Sousse, Mateur, Bizerte…) kamen immer wieder, um
Sloughis
aus Bou-Salem zu kaufen und diese zur Grundlage ihrer Zucht zu machen.
Andererseits
ist
es
auch unbestreitbar, dass viele Zugezogene, die nur
an dem Profit, den der Handel mit dem Sloughi verspricht, interessiert
sind, zu einem Großteil der Degradierung der Rasse beigetragen
haben,
insbesondere, da es keine Registrierung im Lande gibt.
Zusätzlich
ist
die
Veränderung der Lebensgewohnheiten der Nomaden
einer der wesentlichen Gründe, die, langsam aber sicher, zum
schrittweisen
Verschwinden des tunesischen Sloughis beigetragen, insbesondere, da
sich
scheinbar niemand für den Erhalt der Rasse einsetzt.
Darüber
hinaus
droht
eine weitere Gefahr, die die Authentizität
des tunesischen Sloughis gefährdet: die Einführung von
ausländischen
Sloughis, ohne deren Reinrassigkeit zu überprüfen.
Letztendlich
lässt
sich
festhalten, dass die Zukunft des tunesischen
Sloughis unsicher bleibt, trotz des Willens einiger Leute oder
Familien,
diese prachtvolle Kreatur, die der Sloughi darstellt, zu erhalten.
Übersetzung
ins Deutsche
gegengelesen von Claudia Gaede
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